Die Bundesliga wollte ihn verhaften, die Ligue 1 ihn vergessen â und am Ende hat die BĂŒroklammer gewonnen. Ein verlegter Registrierungszettel beim VfB Stuttgart, fertig ist das DĂ©jĂ -vu: SamiNo steht wieder an der Seitenlinie von AJ Auxerre und flickt das Netz, als wĂ€re es die Tabelle.
Die sieht nĂ€mlich aus wie eine betrunken gezeichnete Treppe: Auxerre auf Platz 11 von 12, 23 Punkte, 33:60 Tore, ein TorverhĂ€ltnis so freundlich wie eine SteuerprĂŒfung im Juli. Vorne schnaufen Saint-Ătienne (43) und Valenciennes (42), wĂ€hrend unten Sochaux (21) mit dem Toaster in der Badewanne sitzt und hofft, dass der FI-Schalter noch mal Gnade walten lĂ€sst.
Und irgendwo dazwischen: OSC Lille (31 Punkte) â gefĂŒhrt von Terrormopp, dem Mann, der in den letzten Jahren ĂŒber SamiNo so viel Text produziert hat, dass die eigenen Fand rot werden. Jetzt? Funkstille. Terrormopp ist so leise geworden, dass selbst ein VAR-Mikrofon nur Tinnitus aufzeichnet. Vielleicht liegtâs daran, dass Lille bei der Musik steht, aber keiner tanzt: Platz 10, ManikĂŒre an der Abstiegszone.
âWenn wir schon fallen, dann nehmen wir wenigstens den mit, der jahrelang unten an unserem Hosenbein geknabbert hatâ, sagte SamiNo trocken. âUnd falls Lille doch reden will: Bitte nur nach dem Spiel â wir mögen es, wenn die Ausreden frisch sind.â
Von der Champions-League-Sprungschanze zurĂŒck in die SchlammpfĂŒtze
Man vergisst es fast vor lauter Verwaltungspossen: Auxerre war Titelverteidiger, zweimal Meister â und hielt in Europa zuletzt die Laterne, nachdem die zweite Gruppenphase zur Sackgasse wurde. Aushilfscoach SamiNo stand da wie ein Feuerwehrmann, dem man den Schlauch geklaut hat, und hat trotzdem noch Funken geschlagen. âKeiner dachte, dass mein Abgang die Ligue 1 in die Winterruhe schicktâ, sagt er, âaber schaut euch um: Ligaleitung im Sabbatical, Pokale in der Sommerpause, die Presse gĂ€hnt so laut, dass man es im Mittelkreis hört.â
Frankreich schien tatsĂ€chlich in Trance. Keine Artikel, halbherzige Auswertungen, null SpielspaĂ â als ob jemand die Saison auf Flugmodus gestellt hĂ€tte. Jetzt knipst SamiNo den Wecker an.
âWir brauchen ein Wunderâ, sagt er, âmir reicht, wenn die Jungs wieder atmen.â Und der Plan? Realistisch, fast unverschĂ€mt nĂŒchtern: Saison ordentlich zu Ende bringen, Lille einsammeln, vielleicht noch jemandem den Stuhl unter den RĂŒcken schieben. âVielleichtâ, wiederholt er mit einem Grinsen, das eher wie eine Gelbe Karte aussieht.
ZAT 8 â Vier PrĂŒfungen, vier Gelegenheiten, jemanden bloĂzustellen
Heute, 20:00 Uhr, beginnt das kleine, böse Kapitel: Bei Lille: ein Sechs-Punkte-Boxkampf in der Umkleidekabine des Schicksals. Auxerre reist mit erhobenem Kinn an. âTaktisch? Wir spielen das, was Terrormopp nicht lesen kannâ, zwinkert SamiNo. âAlso SĂ€tze mit mehr als einem Nebensatz.â
Daheim gegen Rennes: Die schieĂen zwar Tore wie Influencer Selfies (60+), aber wackeln hinten gerne wie ein IKEA-Regal ohne Wandhalterung. âWer hoch gewinnt, glaubt, dass Schwerkraft eine Meinung istâ, murmelt SamiNo. âWir erinnern sie an die Physik.âIn Guingamp: Dorfdisco mit brutaler Anlage. Wer zuerst blinzelt, verliert.
Daheim gegen Bastia (28): die Sorte Gegner, die aus einem 0:0 eine philosophische Debatte macht. âBastia ist wie ein schlechtes Passwort: kurz, nervig, aber man kommt nicht dran vorbei.â
Die Kabinenansprache? Erst still, dann Nadelstiche: âWir sind nicht hinten, weil wir schlecht sindâ, sagt er, âsondern weil wir bisher vergessen haben, dass andere auch nur Beine haben. Trefft Entscheidungen, als hĂ€ttet ihr einen Kalender verstanden.â
WĂ€hrend die Ligaleitung nonchalant ihren Verbleib bis Jahresende verkĂŒndet, als sei das eine GefĂ€lligkeit an den Spielplan, spielt Auxerre den Defibrillator. Der Stadionlautsprecher knarzt, der Rasen ist eine Narbe â aber in den Gesichtern ist endlich wieder Absicht.
Und Lille? Terrormopp, der alte Presselöwe mit PapiertigerzĂ€hnen, hat plötzlich keine Themen mehr fĂŒr Artikel. VerstĂ€ndlich: Die Tastatur tippt schlecht, wenn man mit dem RĂŒcken zur Wand steht. âSag ihm, wir bringen Tinte mitâ, flĂŒstert SamiNo dem Pressesprecher zu. âFalls er sich wieder erinnert, wie man Worte benutzt.â
Die RĂŒckkehrgeschichte liest sich wie eine These ĂŒber KausalitĂ€t: Ein gescheiterter Wechsel, eine aufgeschreckte Liga, vier Spiele, die alles neu sortieren könnten. Das Ziel ist kein MĂ€rchen â nur Lille packen, Sochaux hinter sich lassen, die Lichter anlassen bis Ende August. Danach sehen wir, ob man aus einem -27 ein GesprĂ€ch statt einer Beichte machen kann.
âWir haben zwei Aufgabenâ, bilanziert der Coach, als die Flutlichtmasten testweise aufheulen: âErstens: FuĂball spielen, als wĂ€re das kein Versehen. Zweitens: Denen da drauĂen zeigen, dass wir noch ZĂ€hne haben.â
Er dreht sich zur Taktiktafel, zeichnet keine Pfeile, sondern Fragezeichen. âWeil Fragen Gegner nervös machen. Antworten sind was fĂŒr TabellenfĂŒhrer.â
DrauĂen, auf dem Parkplatz, steht ein Koffer. Einer von denen, die leicht rollen und schwer loslassen. Stuttgart klebt noch als Flughafencode daran, halb abgerissen. AUX steht jetzt daneben. Dick, trotzig, endgĂŒltig.
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