Die Ligue 1 hat den Vorhang gelüftet und schon nach vier Spieltagen ist klar: Das Tempo stimmt, die Dramaturgie auch... Nur nicht überall die Disziplin. Der erste ZAT brachte spürbar neue Energie, zwei trainerlose Schwergewichte, einen alten Meister mit klarer Ansage, einen Lautsprecher aus Lille und leider auch ein Déjà -vu aus Lens. Frankreich liebt seine Geschichten und diese hier beginnt mit Pfeifen, Applaus und einem vernehmlichen Raunen.
Sportlich sortierte sich das Feld erstaunlich schnell: Valenciennes (7 Punkte, 7:3 Tore) schiebt sich an die Ligaspitze. Der 4:0-Auftaktsieg gegen Lille war eine Visitenkarte mit Gravur, das 3:0 gegen Monaco ein taktisches Statement. Dazwischen stand die 0:3-Antwort von Saint-Étienne, die zeigt: Diese Tabelle ist jung, aber nicht naiv. Gleichauf mit VAFC liegt Lyon (7 Punkte). Ein 2:1 gegen Rennes, ein 1:0 gegen Bastia, ein wilder 2:3-Ritt in Lille: fubinis Team spielt früh mit offenem Visier und lässt erkennen, warum es in Europa gern den Dirigentenstab schwingt.
Auffällig stark der Aufsteiger AS Monaco (7 Punkte), obwohl trainerlos: 3:0 gegen Saint-Étienne , 1:0 gegen Guingamp – dazwischen die klare 0:3-Lehrstunde bei Valenciennes. Das ist wenig Glamour, viel Ordnung. S. Réunis Kaysersberg (ebenfalls 7 Punkte) startete frech: 4:2 in Auxerre , 2:2 gegen Lyon, 2:1 gegen Rennes und zwischendurch die 0:3-Kante in Paris. Dass das Elsass oben mitläuft, ist kein Zufall, sondern Geometrie: kurze Wege, klare Pässe, gute Standards.
Rennes (6 Punkte, 10:4 Tore) liefert Extreme: ein 4:0 gegen PSG, ein 4:0 gegen das nicht antretende Lens, davor das 1:2 in Lyon, danach das 1:2 bei Kaysersberg. Stefan Raab hat den Lautstärkeregler gefunden und jetzt braucht es die richtige Frequenz. Bastia (6 Punkte) bekam zum Start ein 0:1 in Guingamp serviert, antwortete 2:1 in großer Reife gegen Auxerre, verlor 0:1 in Lyon und setzte zum Schluss ein 4:0-Ausrufezeichen gegen PSG. Claudinos Frage „Der beste SCB, den es je gab?“ ist nach diesem ZAT mindestens legitim. Die Korsen haben schon wieder diesen Blick, der Spiele entscheidet, bevor sie beginnen.
PSG (6 Punkte) hüpft zwischen Schaulaufen und Stolpern: ein vermutlich kampfloser 3:0-Sieg gegen das fehlende Lens, 0:4 in Rennes, 3:0 gegen Kaysersberg, 0:4 in Bastia – El Pablo wird die Balance zwischen mutigem Anlaufen und Restverteidigung neu kalibrieren müssen. Guingamp (6 Punkte) siegt schmal, aber zielgenau: 1:0 gegen Bastia, 1:0 gegen ASSE. Zwei Niederlagen später bleibt zumindest das Fundament. Saint-Étienne (6 Punkte) wirkt nach der Monaco-Ohrfeige schnell gereizt und genau das tat gut: 3:0 gegen Valenciennes, 3:0 gegen Auxerre.
Lille (6 Punkte) lebt bereits die ganze Bandbreite der Doggen: 0:4 in Valenciennes, 1:0 gegen Guingamp, 0:2 in Auxerre, 3:2 gegen Lyon. Terrormopp wollte „erstmal nicht absteigen“ und nach Woche eins ist das Ziel weder zu klein noch zu groß. Auxerre (3 Punkte) bleibt ohne Chef an der Linie volatil: 2:4 gegen Kaysersberg, 1:2 in Bastia, 2:0 gegen Lille, 0:3 in Saint-Étienne. Qualität blitzt auf, aber ohne Taktstock wird aus Musik schnell Geräusch.
Und dann RC Lens. Matthias tritt nicht an... wieder. Wie am letzten ZAT der Vorsaison, als der Klub zwischen Titelkampf und Pokalfinale die Uhr vergaß, blieb die Mannschaft diesmal gleich mehrfach allein im Tunnel stehen. Ergebnis: null geschossene Tore, zwei Zähler aus Standbildern und jede Menge Kopfschütteln. In einer Liga, die 44 Spieltage lang ihre Widerstandskraft feiert, ist das der falsche Ton. Wer mitspielen will, muss erscheinen. Punkt.
Terrormopp schrieb vor dem Start von einem „motivierten Ligaleiter“ und nannte ihn, halb spöttisch, „Mini-Napoleon“. Netter Versuch. Die neue Taktung sorgt vor allem dafür, dass Spiele rechtzeitig angepfiffen werden und Punkte auf dem Rasen entschieden werden... nicht im Leerlauf. Wer pünktlich ist, merkt das gar nicht. Wer nicht, bekommt es zu spüren.
Claudino dagegen blickte selbstbewusst, aber geerdet auf Bastias Double-Saison und die historisch schwierige Titelverteidigung. Nach diesem 4:0 gegen Paris ist klar: Wenn Bastia einbricht, dann sicher nicht an Ehrfurcht.
In der Champions League steht Bastia nach 0:1 in Vaduz und 3:0 gegen Barry Town mit 3 Punkten ordentlich da: alles offen, alles eng. PSG mit demselben Konto (3:4 in Bukarest, 2:0 gegen Kilkenny) wirkt ähnlich stabil, aber noch nicht stabil genug.
Die Europa League ist gemischt und genau das ist das Problem. Valenciennes wirkt europäisch sogar noch entschlossener (4:0 gegen Lyngby, 0:1 bei Sligo, 4:0 gegen PAOK). Lille stolpert (0:5 bei Cracovia, 1:0 gegen Twente, 0:1 in Freiburg). Lens – erneut NRM – zieht die Stirn in Falten: Null Tore, ein Punkt, ein Imageschaden.
In der Conference League liefert Lyon vorbildlich (1:0 gegen Köln, 2:0 in Istanbul). Rennes gleicht die 1:4-Startniederlage in Barcelona mit einem 4:0 daheim aus – akzeptabel. Auxerre ohne Trainer kassiert zwei knappe Pleiten – nicht tragisch, aber in Summe fatal für die Fünfjahreswertung. Frankreich ist gerade erst auf Rang vier geklettert; wer mit Nichtantreten, halben Auftritten und schwachen Gruppenstarts hantiert, sägt genau an diesem Ast. Also, Messieurs: Europäische Abende sind kein Bonusprogramm, sondern Pflichtveranstaltungen.
Ein erster ZAT, der Lust macht: Ein Aufsteiger, der nicht wackelt; ein Meister, der wieder zubeißt; ein Valenciennes, das die Anzeigetafel beherrscht; ein Lyon, das zündet – und leider ein Lens, das zu oft im Off bleibt. Die Liga hat ihre Erzählung gefunden, Europa die Richtung vorgegeben. Jetzt braucht es Konsequenz: auflaufen, abliefern, auf dem Kontinent Punkte sammeln. Nächste Woche schauen wir wieder auf vier frische Akte und darauf, wer seine Worte in Taten übersetzt. Bis dahin gilt: Wer Stiche setzt, sollte pünktlich Nähen können.
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